Massive Interessenkonflikte beim Jahreskongress 2024 der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin

Aberkennung der medizinischen Zertifizierungspunkte (CME) durch die Ärztekammer Berlin erforderlich.


„Zu glauben, dass das allgegenwärtige Sponsoring zu einer unabhängigen Meinungsbildung von uns Ärzten beiträgt, ist Traumtänzerei ... Das Ziel der Gewinnmaximierung konkurriert zwangsläufig mit dem Ziel des medizinischen Fortschritts und, was wichtiger ist, mit dem Patientenwohl“.

Prof. Asmus Finzen, ärztlicher Direktor der psychiatrischen
Universitätsklinik Basel, in: Psychiatrische Praxis, 2007; 34

 

München, den 19. November 2024

Sehr geehrter Herr Dr. Bobbert,

das Ansehen der Medizin beruht auf dem Prinzip der Unabhängigkeit und Objektivität und vor allem auf dem der Fürsorglichkeit gegenüber Patienten. Der Weltärztebund als oberste, ethische Instanz der Medizin hat diese Grundlagen in der Deklaration von Helsinki wie folgt formuliert: „Die Gesundheit meines Patienten soll mein vornehmstes Anliegen sein. Der Arzt soll bei der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit ausschließlich im Interesse des Patienten handeln.“ In den Empfehlungen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Fortbildung, Stand 30.05.2007, heißt es unter dem Stichpunkt „Wirtschaftliche Interessen“: „Fortbildungsinhalte müssen unabhängig von kommerziellen Interessen sein.“

Der Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) der vom 27. – 30. November 2024 in Berlin stattfindet, ist alles andere als unabhängig von kommerziellen Interessen. Neben dem Kongress gibt es eine ganze „Industrieausstellung“ der Sponsoren, darunter sind als Hauptsponsoren die Pharmafirmen wie Boehringer Ingelheim, Eisai, Rovi, Lilly Deutschland, MEDICE, Takeda, Idorsia, Janssen-Cilag und Otsuka, sowie diverse andere wie Aristo Pharma, Merz, Hennig, SERVIER Deutschland u.a.

Die Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit beim DGPPN Jahreskongress 2024 ist aufgrund erheblicher Interessenkonflikte wieder nicht gewährleistet. Das Patientenwohl, als oberste Handlungsmaxime der ärztlichen Versorgung, ist durch die exorbitante finanzielle Beteiligung der Pharmaindustrie beim DGPPN Kongress gefährdet. Angesichts von 19 Pharmafirmen, die bereits freiwillig deklarieren den Kongress mit 1,02 Mio. Euro zu sponsern, handelt es sich hier alles andere als um einen objektiven und unabhängigen medizinischen Kongress, sondern vielmehr um eine Marketingveranstaltung der Industrie.

Trotzdem wurde der DGPPN Kongress 2024 von der Ärztekammer Berlin als medizinischer Fortbildungskongress zertifiziert. Kongressteilnehmer erhalten bis zu 45 CME-Punkte (Continuing Medical Education, CME).
(https://www.dgppnkongress.de/dgppn/dgppn2024/de-DE/page/CME-Allgemeines)

Darüber hinaus fordern wir die DGPPN seit 2022 auf, sich der Abschaffung von Zwangspraktiken zu verpflichten und eine offizielle Erklärung an ihre Mitglieder zu veröffentlichen, in der sie darüber informiert, dass die Theorie, ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn könne Depressionen oder andere psychische Störungen verursachen, falsch und endgültig von Forschern widerlegt sei. Die Forscher überprüften alle entscheidenden Studien der vergangenen Jahrzehnte und entlarvten die These, dass ein chemisches Ungleichgewicht psychische Störungen verursache, als vollkommen haltlos. Wie einer der Forscher erklärte, ist diese irreführende Situation entstanden, weil sie den Interessen der Psychiatrie und Pharmaindustrie dient.

Eine fortgesetzte Weitergabe dieser haltlosen Theorie an Patient:innen verletzt somit das Recht auf informierte Zustimmung und stellt einen Betrug des Verbrauchers dar. Dieser Marketing-Schwindel wird seit über 30 Jahren im Bereich der psychischen Gesundheit verwendet, selbst nachdem er von Forschern des University College London (UCL) in der Zeitschrift Molecular Psychiatry als solcher veröffentlicht wurde.
 

Wir bitten Sie, die ärztliche Unabhängigkeit und Ethik wiederherzustellen, indem Sie sich für die Durchsetzung folgender Forderungen einsetzen:

1a. Die Aberkennung der medizinischen Fortbildungspunkte (CME) des DGPPN Kongresses 2024 durch die Ärztekammer Berlin wegen massiver Interessenskonflikte, da der DGPPN Kongress u.a. von Pharmafirmen gesponsert ist. Derartiges Pharmasponsoring stellt eine Disqualifikation für die Anerkennung von medizinischen Fortbildungspunkten dar.

1b. Sämtliche Referenten des DGPPN Kongresses 2024 werden zur vollständigen Offenlegung bestehender Interessenkonflikte verpflichtet. An sichtbarer Stelle muss neben dem Vortragspult ein Hinweis angebracht werden, auf dem z.B. steht: „Für das Symposium erhält Dr. X 3000 €, ein Flugticket der Business Class sowie die Unterkunft in einem 4-Sterne Hotel von der Pharmafirma XY.“

Das Hinweisschild muss für die Dauer des Vortrags, Symposiums etc. sichtbar sein und darf nicht – wie oft üblich – nur als Folie für ein paar Sekunden zu Beginn des Vortrags gezeigt und dann entfernt werden.

1c. Zukünftig sollen feste Regeln für derartige Psychiatrie-Kongresse gelten, u.a.:

  • Psychiatrische Gruppen wie die DGPPN dürfen kein kommerzielles Sponsoring für Fortbildungen mehr akzeptieren.
  • Psychiatrische Dachverbände wie die DGPPN müssen in ihren Jahresberichten die Höhe der Zuwendungen veröffentlichen, die sie von Pharmafirmen, Verlagen, Geräteherstellern usw. erhalten.
  • Psychiatrische Verbände veröffentlichen ein Register von Interessenkonflikten ihrer Mitglieder, das öffentlich zugänglich ist, um Transparenz herzustellen.
  • Vollständige Offenlegung der Interessenkonflikte von Referenten (s.o.)
  • Sollten die obigen Regeln nicht eingehalten werden, dürfen keinerlei Fortbildungspunkte für derartige Veranstaltungen vergeben werden.

2. eine Verordnung der Gesundheitsministerien auf Landes- und Bundesebene, die es Psychiatern, Ärzten, sämtlichen psychiatrischen Dachverbänden und Angehörigen der Gesundheitsberufe verbietet, Behauptungen über die angebliche Existenz eines chemischen Ungleichgewichts aufzustellen.
 

BEGRÜNDUNG:

Unsere Forderungen 1a – 1c:
Warum Industriesponsoring von psychiatrischen Kongressen enden muss:

  • Interessenkonflikte: Von der Industrie gesponserte Veranstaltungen können einseitige oder verzerrte Informationen vermitteln, die die Produkte des Sponsors begünstigen.
  • Qualitätssicherung: Der Fortbildungswert solcher Veranstaltungen wird kommerziellen Interessen untergeordnet.
  • Unabhängigkeit der ärztlichen Fortbildung: Die Abhängigkeit von Industriesponsoring gefährdet die Unabhängigkeit und Objektivität der ärztlichen Fortbildung.
  • Fokussierung auf relevante Themen: Industriegesponserte Veranstaltungen konzentrieren sich zu stark auf marktrelevante Themen und vernachlässigen wichtige, aber weniger profitable Bereiche.

In den Empfehlungen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Fortbildung, Stand 30.05.2007, heißt es unter dem Stichpunkt „Wirtschaftliche Interessen“: „Fortbildungsinhalte müssen unabhängig von kommerziellen Interessen sein“.

Parallel zum DGPPN-Kongress 2024 veranstalten die Sponsoren in den Messeräumen eine sogenannte „Industrieausstellung“, in der die genannten Hersteller von Psychopharmaka, E-Schock- und Hirnstimulationsgeräten etc. ihre Produkte bewerben.

Im Bericht einer Arbeitsgruppe hochrangiger US-Ärzte heißt es in einer Presseaussendung des New Yorker `Institute on Medicine as a Profession´, vom 24.1.2006 sowie in der Veröffentlichung eines Berichts in der Zeitschrift der Amerikanischen Ärztevereinigung JAMA, 25.1.2006: „Die Verbindungen zwischen der Pharmaindustrie und den Ärzten bedeutet eine ernsthafte Bedrohung für die seriöse Medizin und für das Vertrauen, das Patienten in Ärzte haben. ... Alle Geschenke an Ärzte – mit einem Limit von null Dollar – sollten verboten werden, weil sie in den meisten Fällen negative Auswirkungen auf die medizinische Versorgung haben.“

Auch die Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte, MEZIS („Mein Essen zahl ich selbst“) recherchiert seit Jahren die Einflussnahme der Pharmaindustrie auf die vorgeschriebene Fortbildung von Ärzten (international: Continuing Medical Education, CME) und fordert, dass Ärztinnen und Ärzte künftig keine Fortbildungspunkte mehr für den Besuch einer Veranstaltung erhalten, wenn diese von der Pharmaindustrie gesponsort ist.
Viele, auch universitäre Veranstalter und Fachgesellschaften, führen schon seit Langem umfangreiche Kongresse ohne Sponsoring durch die Pharmaindustrie durch. Beispiele finden sich bei www.cme-sponsorfrei.de .

Zur 2. Forderung:
Widerlegung des 30 Jahre alten Marketingschwindels über die Existenz eines „chemischen Ungleichgewichts im Gehirn“

Einer der Forscher erklärte, dass diese irreführende Situation entstanden sei, weil sie den Interessen der Psychiatrie und der Pharmaindustrie diene. „Unserer Meinung nach sollte man Patienten nicht erzählen, dass Depressionen durch einen niedrigen Serotoninspiegel oder ein chemisches Ungleichgewicht verursacht werden. Und sie sollten nicht glauben, dass Antidepressiva wirken, weil sie auf diese unbewiesenen Anomalien abzielen", so der Forscher.

Zur Abwendung weiterer Fehlentscheidungen mit daraus resultierenden Falschbehandlungen und Schäden an Patienten ist aufgrund der Zurückhaltung der DGPPN eine offizielle Verordnung des Gesundheitsministeriums notwendig. Mit dieser Verordnung soll es den psychiatrischen Verbänden, Psychiatern und Angehörigen der Gesundheitsberufe verboten werden, weiterhin Behauptungen über die angebliche Existenz eines chemischen Ungleichgewichts aufzustellen.

Wir bitten um Ihre aktive Unterstützung zur Veröffentlichung und Verbreitung eines solchen Verbotes an alle Beteiligten des Gesundheitssystems, um die Verbreitung dieser kürzlichen Forschungsergebnisse sicherzustellen, mit denen die Existenz eines sogenannten „chemischen Ungleichgewichts“ im Gehirn als Ursache von Depressionen oder anderen psychiatrischen Störungen widerlegt wird.

Eine fortgesetzte Weitergabe dieser veralteten Theorie an Patienten würde deren Recht auf informierte Zustimmung verletzen und neben weiteren gesundheitlichen Schäden für die Betroffenen in Zukunft auch rechtliche Konsequenzen für den Behandelnden aufgrund des möglichen Vorwurfs der Falschbehandlung oder des Betrug am Verbraucher darstellen.

Eine Weitergabe derartiger Fehlinformationen an Patienten hindert diese daran, eine fundierte Entscheidung zu treffen und hat bereits dazu geführt, dass viele Millionen Menschen Antidepressiva oder andere Psychopharmaka mit schädigenden Nebenwirkungen einnehmen, in dem Irrglauben, diese würden etwas „korrigieren", das einfach nie existiert hat.

In den aktuellen WHO/UN-Leitlinien „Mental Health, Menschenrechte und Gesetzgebung“ von Oktober 2023 heißt es, dass jahrzehntelanger psychiatrischer Zwang zu „physischen und psychischen Schäden und sogar zum Tod" geführt hat, und die Länder sicherstellenmüssen, dass das Recht auf Verweigerung der Behandlung respektiert wird.

Alle psychiatrischen Zwangsmaßnahmen, insbesondere bei denen z.B. Antidepressiva, Neuroleptika, eine Kombination aus beiden oder Elektrokrampftherapie (EKT) zum Einsatz kommen – eine Praxis, die von den Vereinten Nationen als Folter eingestuft wird – müssen beendet werden.

 

In der am 10.09.2018 veröffentlichten DGPPN S3 Leitlinie zur „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“ heißt es in der Präambel u.a.:

„Eingedenk der Gewalt und des Unrechts, die psychisch erkrankten Menschen im Namen der Psychiatrie und durch in der Psychiatrie Tätige in der Vergangenheit angetan worden sind, muss dem professionellen Umgang mit aggressivem Verhalten heute unsere besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt gelten, um Zwangsmaßnahmen entbehrlich zu machen. Diesem Ziel dient die vorliegende Leitlinie.“

Dennoch dulden und praktizieren Psychiater weiterhin den unfreiwilligen Einsatz von Psychopharmaka und anderen Behandlungen.

Auch beim DGPPN Kongress 2024 unter dem Titel "Psychische Gesundheit in Krisenzeiten“, geht es erneut auch um Zwang in der Psychiatrie. Die DGPPN muss ihre Absichtserklärung, Zwang zu vermeiden, bekräftigen und berichten, welche Maßnahmen von der DGPPN und ihren Mitgliedern ergriffen wurden, um Zwangsbehandlung abzuschaffen.

 

Für weitere Informationen stehen wir gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Bernd Trepping
Vorstand KVPM Deutschland e.V.  
Nicola Cramer
Vorstand KVPM Deutschland e.V

 

Sponsoring des DGPPN Kongresses 2024

Von den 58 Sponsoren, die freiwillig die Höhe ihres Sponsorings angegeben haben, finanzieren 19 Pharmaunternehmen mit 1.016.540 Euro 82% der gesamten Sponsoringeinnahmen. 
Für diesen Betrag kaufen sie u.a. Psychopharmakawerbung in der „Industrieausstellung“ des Kongresses. Die 9 zahlungskräftigsten dürfen sogar eigene Symposien ausrichten.

Unternehmen Betrag   Art der Unterstützung
Eisai GmbH 159.090 €  Symposiumsausrichter + Aussteller
Janssen-Cilag GmbH 146.950 €  Symposiumsausrichter + Aussteller
Boehringer Ingelheim Pharma 141.850 €  Symposiumsausrichter + Aussteller
ROVI GmbH 102.665 €  Symposiumsausrichter + Aussteller
Takeda Pharma Vertrieb 91.975 €  Symposiumsausrichter + Aussteller
MEDICE Arzneimittel Pütter 84.445 €  Symposiumsausrichter + Aussteller
Lilly Deutschland GmbH 81.925 €  Symposiumsausrichter + Aussteller
Idorsia Pharmaceuticals Germany  81.425 €  Symposiumsausrichter + Aussteller
Otsuka Pharma GmbH  60.690 €  Symposiumsausrichter + Aussteller
Aristo Pharma GmbH 9.300 €  Aussteller
Recordati Pharma GmbH 9.300 €  Aussteller
VANDA Pharmaceuticals Germany 8.370 €  Aussteller
TEVA GmbH 7.875 €  Aussteller
Camurus GmbH 5.730 €  Aussteller
Hennig Arzneimittel GmbH 5.580 €  Aussteller
Hormosan Pharma GmbH 5.300 €  Aussteller
Merz Therapeutics GmbH 5.150 €  Aussteller
Indivior Deutschland GmbH 4.650 €  Aussteller
SERVIER Deutschland GmbH 4.270 €  Aussteller

 

Quelle:
https://www.dgppnkongress.de/dgppn/dgppn2024/de-DE/page/Ueber-den-Kongress-Foerdernde-Unternehmen

Hier den Punkt „Transparenzvorgabe“ öffnen, der enthält den Link zum Download der o.g. Sponsorenliste mit Beträgen.
Direkter Link: https://dgppn-distribution.m-anage.com/from.storage?filecore=r0YcW2XWWBEyMlLMoXeYgL7xciVhqAWvcog2vhbwx7M