ZIVILRECHTLICHE URTEILE GEGEN PSYCHIATER UND PSYCHOLOGEN
Vera Stein (Storck) ./. Deutschland
Beschwerde Nr. 61603/00
Datum: 16.06.2005
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Entschädigung: 75 000 Euro
Kurz vor ihrem 18. Geburtstag wurde Vera Stein von ihren Eltern in die psychiatrische Privatklinik Dr. Heines in Bremen eingeliefert. Sie wurde dort gegen ihren Willen festgehalten, sie wurde an Heizkörper und Betten gefesselt und ihr wurden extrem hohe Dosen Psychopharmaka verabreicht. Heute ist sie zu 100 % schwerbehindert, bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente, leidet ständig an beträchtlichen Schmerzen, insbesondere an Armen und Beinen und an der Wirbelsäule. Die Straßburger Richter urteilten, dass Deutschland gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen hat: Die damals 18-jährige Vera Stein hätte nicht gegen ihren Willen und nicht ohne medizinischen Grund zwei Jahre lang in der Bremer Privatklinik eingesperrt werden dürfen. Der Gerichtshof sprach ihr eine Entschädigung von 75 000 Euro sowie 18 000 Euro für Kosten und Auslagen zu.
Haase ./. Deutschland
Beschwerde Nr. 11057/02
Datum: 08.04.2004
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Entschädigung: 45 000 Euro
Im Gutachten eines Psychologen wurde Cornelia und Josef Haase im Jahr 2001 vorgehalten, dass „die häuslichen Verhältnisse die Entwicklung ihrer Kinder ernsthaft gefährdeten“. Daraufhin entzog das Jugendamt Münster den Eltern das Sorgerecht für sieben ihrer Kinder und brachte diese in Kinderheimen unter. Obwohl das Bundesverfassungsgericht scharfe Kritik am Vorgehen der Behörden in Münster übte, haben die Eltern erst seit März 2004 Umgang, aber nur mit zwei der sieben Kinder. Der Gerichtshof sprach den Eltern eine Entschädigung von 45 000 Euro sowie 8000 Euro für Kosten und Auslagen zu.
Kutzner ./. Deutschland
Beschwerde Nr. 46544/99
Datum: 26.02.2002
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Entschädigung: 15 000 Euro
Ingo und Annette Kutzner wurde aufgrund des Gutachtens eines Psychologen vom Vormundschaftsgericht Bersenbrück 1997 das Sorgerecht für ihre Töchter (5½ und 4 Jahre) mit der Begründung entzogen, dass „die Eltern intellektuell nicht dazu in der Lage seien, ihre Kinder ordnungsgemäß zu erziehen“. Die Mädchen wurden in anonymen Pflegefamilien untergebracht. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Kindesentziehung widerrechtlich war und sprach den Eltern eine Entschädigung in Höhe von 15.000 Euro sowie 8000 Euro für Kosten und Auslagen zu. Dennoch dauerte es bis zum Dezember 2003, bis Ingo und Annette Kutzner das uneingeschränkte Sorgerecht zurückbekamen und ihre Töchter nach Hause zurückkehrten.
Vera Stein ./. Psychiatrische Universitätsklinik Frankfurt
Quelle: Focus Magazin
Datum: 13.09.2001
Landgericht Frankfurt/Main Vergleich: 20 000 DM
Die damals 42-jährige Vera Stein erhielt 20.000 Mark Schmerzensgeld vom Universitätsklinikum, weil die Klinik offensichtlich „faktische und unstreitige Verantwortung für die gestellte Fehldiagnose“ trage. Die Frankfurter Ärzte hatten Stein in den 70er-Jahren wegen einer angeblichen „Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis“ mit Psychopharmaka behandelt. Diese Diagnose sei falsch gewesen, bestätigten Gutachter. Stein, die als Folge der Behandlung elf Jahre kaum sprechen konnte und unter Muskelschwäche leidet, habe damals nur eine „schwere Reifungskrise“ erlebt.
Löser ./. Psychiatrisches Krankenhaus Marburg-Cappel
Aktenzeichen 5 O 33/90
Datum: 1995
Amtsgericht Marburg Schmerzensgeld: 500.000 DM
Der 1952 in der Nähe von Kassel geborene Klaus-Peter Löser wurde über viele Jahre gegen seinen Willen und offensichtlich grundlos in psychiatrischen Kliniken festgehalten. Die Rechtswidrigkeit der Behandlung und grobe Fahrlässigkeit der behandelnden Psychiater wurde inzwischen gerichtlich festgestellt. Die fast anderthalb Jahrzehnte dauernden gerichtlichen Auseinandersetzungen endeten 1995 mit einem Urteil, das Löser ein Schmerzensgeld von DM 500.000 zusprach. Das ist die bislang höchste Entschädigung für Psychiatrieopfer in Europa. Klaus-Peter Löser wurde von seiner Familie in die Kinder- und Jugendpsychiatrie Hephata abgeschoben, als er sich als 12-Jähriger gegen die Misshandlungen seiner Mutter und seines alkoholsüchtigen Stiefvaters wehrte. Nach Fluchtversuchen wurde Löser 1972 in das streng bewachte psychiatrische Krankenhaus Marburg-Cappel zwangseingewiesen. Ursprünglich sollte er dort nur für 6 Wochen bleiben, doch daraus wurden 9 Jahre, in denen er mit Psychopharmaka ruhiggestellt wurde. Das Gericht stellte fest, dass Fehlbehandlung, Übermedikation und Internierung „in grob fahrlässiger Weise“ zu Langzeitschäden führten. Löser hatte Psychopharmaka in 20- bis 30-facher Überdosierung erhalten. Lösers Sieg vor Gericht führte zu einer Überprüfung der Diagnosen aller Psychiatriepatienten in Hessen und zur Entlassung von 1000 (!) ungerechtfertigt „Untergebrachten“