Aufruf zum schriftlichen Protest gegen "Eil"-Gesetzesverfahren zur Zwangsbehandlung
Bitte an Ihren Verteiler weiterleiten und vor allem eigenes Schreiben verfassen!
Mit einem unglaublichen Gesetzgebungsverfahren, das in der legislativen Geschichte der Bundesrepublik seines Gleichen sucht, will die Bundesjustizministerin, flankiert von den Justizministern der Länder, die psychiatrische Zwangsbehandlung von Personen, die unter rechtlicher Betreuung stehen, im Betreuungsrecht gesetzlich verankern.
Damit würden die höchstrichterlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 (hierzu BVerfG Pressemitteilung ) und vom 12. Oktober 2011 (hierzu BVerfG Pressemitteilung) sowie des Bundesgerichtshofs vom 20. Juni 2012, XII ZB 99/12 und XII ZB 130/12 (hierzu BGH Pressemitteilung), die soeben die Rechte dieser Betroffenen endlich geschützt hatten, ausgehebelt werden.
Psychiater und Pharmaindustrie brauchen ein Gesetz, um dem Absatz-Absturz von Psychopharmaka in Deutschland seit den o.g. Beschlüssen Einhalt zu gebieten. Dies soll im Moment scheinbar möglichst leise und im engsten Kreise geschehen. Psychiater beschreiben Szenarien, bei denen sie scheinbar zusehen müssten wie es Patienten schlechter ginge, wenn sie nicht gegen deren Willen eingreifen dürfen. In Wirklichkeit hat sich die Situation für Patienten in den Psychiatrien seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie mehr verbessert als durch durch die o.g. Gerichtsentscheidungen. Patienten empfinden die Psychiatrie weniger bedrohlich, nebenwirkungsfreie Behandlungswege werden gegangen, Patienten finden jahrelang unterdrückte Emotionen und Gefühle wieder, leben auf und fühlen sich freier, selbstbestimmter und nicht mehr permanent chemisch ihrer Würde verletzt.
Wohl um dies weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Eiltempo durchzusetzen (Zitat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am 11. Oktober 2012: "... besteht daher akuter, gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Sogar das reguläre Gesetzgebungsverfahren erscheint vor diesem Hintergrund als zu zeitaufwendig, weshalb die Bundesregierung die Regelung durch Anknüpfung an ein anderes Verfahren nochmals beschleunigen will."), wurde im Stillen zunächst dieser sonderbare Weg gewählt:
Die Zwangsbehandlung betreuter Personen sollte durch eine Änderung des Betreuungsrechts durchgesetzt werden, die als Zusatz an einen bereits in erster Lesung verabschiedeten Gesetzentwurf "angedockt" wurde, der nicht das Geringste mit dem Betreuungsrecht zu tun hatte:
"Gesetz zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen sowie zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts"
Hier die Stadien, die dieser Gesetzentwurf - in seiner ursprünglich reinen Form - vorher durchlaufen hatte:
- Gesetzentwurf 25.05.2012, Bundesrat Drucksache 311/12
- Beratung 06.07.2012, Bundesrat Plenarprotokoll 899 (Tagesordnungspunkt 25.)
- Gesetzentwurf 15.08.2012, Bundestag Plenarprotokoll 17/192 (Tagesordnungspunkt 3 c)
Doch dann traut man seinen Augen nicht mehr, was in diesen ursprünglichen Gesetzentwurf wie ein Trojanisches Pferd eingeschleust wurde - psychiatrische Zwangsbehandlung von Betreuten:
- "Formulierungshilfe" zum Gesetzentwurf 07.11.2012, Abänderungsantrag der CDU/CSU- und FDP-Fraktion (im Dokument in rötlicher Schrift)
- Und damit nicht genug - in ihrem Beschluss vom 15.11.2012 (Punkt 3.) fordern die Justizminister sogar noch die ambulante Zwangsbehandlung zu legalisieren!
- Nach erster Aufklärungsarbeit und Protesten weniger Menschenrechtler, die von dem Vorhaben erfahren haben, wurde dem Projekt vergangene Woche wohl mehr öffentliche Aufmerksamkeit beschert als erwünscht war. Die Bundesjustizministerin entschied daraufhin ein "ordentliches Verfahren" durchzuführen und die Legalisierung der Zwangsbehandlung nicht mehr Inhalt eines vollkommen sachfremden Gesetzes hinzuzufügen.
- Dennoch soll dieser massive Eingriff in die Grundrechte und die Unversehrtheit der Person weiter im Eiltempo ohne parlamentarische Aussprache oder Anhörung durchgepeitscht werden, und zwar:
- Am 22.11.2012 soll der - nun isolierte - Gesetzentwurf zur Zwangsbehandlung in erster Lesung und ohne Aussprache durch den Bundestag mit Zuweisung an den oder die betreffenden Ausschüsse gehen.
- Am 28.11.2012 soll der Gesetzentwurf ohne Anhörung durch den Rechtsausschuss gehen.
- Am 29.11.2012 soll der Gesetzentwurf in der zweiten und dritten Lesung im Bundestag verabschiedet werden!
Innerhalb des Deutschen Bundestags gab es bisher nur Kritik von einer Abgeordneten der Grünen und von der gesundheitspolitischen Sprecherin der Linksfraktion, Dr. Martina Bunge. Hier ein Auszug aus ihrer Pressemitteilung vom 16.11.2012:
„Wie mir zu Ohren gekommen ist, will die Regierung die Gesetzesänderungen nun in einem eigenen Gesetzesverfahren regeln und nicht mehr an ein völlig sachfremdes Gesetz anhängen. Wer aber geglaubt hat, dies würde etwas an der Ernsthaftigkeit der Befassung mit diesem Thema ändern, irrt sich gewaltig. Das Gesetz soll bereits am 29 .November verabschiedet werden, ohne öffentliche Anhörung. Somit wird weder den Fachverbänden noch den Betroffenenverbänden noch den Abgeordneten ausreichend Möglichkeit gegeben, sich mit dem Thema zu befassen. Hier wird eine Hau-Ruck-Verfahren durch ein Ruck-Zuck-Verfahren ersetzt, das formal korrekter ist, aber inhaltlich genauso skandalös ist.
Unsere Kleine Anfrage hat gezeigt, dass in Westdeutschland zweieinhalb mal so häufig zwangsgewiesen wird wie in Ostdeutschland, in Bayern sogar 11 mal so häufig eingewiesen wie in Thüringen. Zwangseinweisungen scheinen willkürlich stattzufinden und es klaffen riesige Wissenslücken zur Zwangsbehandlung. Wir dürfen nicht vergessen, dass mit Zwangsbehandlungen verbriefte Grundrechte außer Kraft gesetzt werden. Dies erfordert eine wissenschaftlich evidente Grundlage über ihren Nutzen und Schaden und eine ethische Debatte und keinen Schnellschuss aus dem Justizministerium.“
Auf Nachfrage vergangene Woche hieß es, innerhalb der SPD sei dieses Gesetzesvorhaben noch nicht besprochen und keine offizielle Position dazu entschieden worden. Es ist momentan aber zu erwarten, dass die Berichterstatterin der SPD (Sonja Steffen) dem Vorgehen der Bundesregierung in Sachen Zwangsbehandlung von Betreuten am kommenden Montag nichts entgegensetzen wird.
Wir bitten Sie daher sich AN DIESEM WOCHENENDE an die berichterstattenden Mitglieder des Rechtsausschusses zu wenden, insbesondere an Herrn Stephan Thomae, Frau Sonja Steffen und Frau Ute Granold (und möglicherweise wegen Krankheit stellvertretend auch an Herrn Thomas Silberhorn):
Am Montag, den 19.11.2012, sollen die Berichterstatter aller Parteien zu einer Vorbesprechung zusammenkommen, um das weitere Vorgehen zu bestimmen. Namentlich soll es sich dabei um folgende Abgeordnete handeln:
- Ute Granold (CDU/CSU), ute.granold@bundestag.de + ute.granold@wk.bundestag.de, Tel.: 030 - 227 - 71075
möglicherweise wegen Krankheit stellvertretend: Thomas Silberhorn (CDU/CSU), thomas.silberhorn@bundestag.de + thomas.silberhorn@wk.bundestag.de, Tel.: 030 - 227 - 71028 - Sonja Amalie Steffen (SPD), sonja.steffen@bundestag.de + sonja.steffen@wk.bundestag.de, Tel.: 030 - 227 - 74610
- Stephan Thomae (FDP), stephan.thomae@bundestag.de + stephan.thomae@wk.bundestag.de, Tel.: 030 - 227 - 75786
- Jörn Wunderlich (Die Linke), joern.wunderlich@bundestag.de + joern.wunderlich@wk2.bundestag.de, Tel.: 030 - 227 - 71341
- Ingrid Hönlinger (Bündnis 90/Die Grünen), ingrid.hoenlinger@bundestag.de + ingrid.hoenlinger@wk.bundestag.de, Tel.: 030 - 227 - 73064
Weisen Sie diese Berichterstatter des Rechtsausschusses darauf hin, dass dieses Gesetzesvorhaben, auch auf dem nun leicht geänderten Weg, nach wie völlig unakzeptabel ist, da es im Eilverfahren und ohne öffentliche Anhörung grundlegendste Persönlichkeitsrechte außer Kraft setzen will.
Fordern Sie, dass auch der Gesundheitsausschuss in dieses Gesetzgebungsverfahren einbezogen wird - schließlich geht es um die Gesundheit bzw. andernfalls die gesundheitliche Schädigung der Betroffenen durch eine zwangsweise Verabreichung aggressiv wirkender Psychopharmaka.
Fordern Sie, dass auch die Betroffenenverbände sowie Menschenrechtsvereine im Gesetzgebungsverfahren angehört werden - schließlich sind die Betroffenen die Leidtragenden dieses Vorhabens und Menschenrechtsvereine haben umfassendste Dokumentation über Schädigung und Misshandlung von Betroffenen in diesem Bereich.
Fordern Sie, dass eine gesetzliche Regelung zum Schutz der Betroffenen auf den Weg gebracht wird, welche die oben genannten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs in vollem Umfang implementiert.
Sollten diese 5 Ausschussmitglieder am kommenden Montag den weiteren Verlauf dieses Gesetzesentwurfs nicht ändern, richten Sie Ihre Forderungen an alle weiteren Mitglieder des Rechtsausschusses, wie auch an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses.
Wir danken Ihnen schon vorab für Ihre Initiative zum Schutz vor einer Legalisierung von Körperverletzung durch Psychopharmaka.
Mit freundlichen Grüßen
KVPM Deutschland e.V.
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Die KVPM wurde 1972 in München von Mitgliedern der Scientology Kirche gegründet und gehört zum weltweit größten Netzwerk zur Aufdeckung von Missbräuchen in der Psychiatrie.