Nach 15 Jahren:

Psychiatriegutachter zahlt 13000 Mark Schmerzensgeld

 

München, den 24. 7. 1979

 

Jetzt kam Dr. Günter Weigand - Opfer eines der größten bundesdeutschen Psychiatrieskandale in der Nachkriegszeit - doch noch zu seinem Recht. Ein 1964 erstelltes "Gefälligkeitsgutachten" des Berliner Psychiatrieprofessors Dr. Helmut Selbach brachte den zweifelsfrei gesunden Weigand eine Zwangsunterbringung in der Psychiatrieanstalt Eickelborn und den Ruf eines "gemeingefährlichen Geisteskranken" ein.

 

Weigand verklagte daraufhin Psychiater Selbach wegen "schwerster Persönlichkeitsverletzungen", musste jedoch alle möglichen Rechtsmittel ausschöpfen, ehe Selbach nun nach 15 Jahren einlenkte und für sein "Gutachten", das einen klaren Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung war, über seine Haftpflichtversicherung 13230 Mark Schmerzensgeld und Schadensersatz überwies.

 

1964 beauftragte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Münster den früheren Direktor der Psychiatrischen und. Neurologischen Klinik der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Helmut Selbach, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten über Dr. Günter Weigand zu erstellen. Nach Ansicht Weigands "wünschten die Auftraggeber des Gutachtens ihn auf Dauer gesund in eine Irrenanstalt zu verbannen, weil seine Bemühungen, die Umstände des dubiosen Gewalttodes des Rechtsanwalts Paul Blomert zu klären, höchst lästig und peinlich waren". Obwohl Selbach aus dem ihn vorliegenden Akten wusste, dass zuvor andere Psychiater Weigand als zweifelsfrei gesund und strafrechtlich voll verantwortlich erkannt hatten, empfahl er in seinem Gutachten für Weigand eine Sicherungsverwahrung mit der widergesetzlichen Begründung, der Begutachtete sei auf Dauer dem Personal von Gefängnissen und Heilanstalten nicht zumutbar. Eine Sicherungsmaßnahme also, die nur für nicht resozialisierbare Gewohnheitsverbrecher gesetzlich möglich ist. Damit, so die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." (München), verstieß Selbach eindeutig gegen die ärztliche Berufsordnung der Ärztekammer Berlin. Da heißt es im § 12: "Bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse hat der Arzt mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren ...". Das Gutachten Selbachs hatte die öffentliche Diffamierung von Dr. Weigand als "gemeingefährlich geisteskrank" und 1965 eine einstweilige Zwangsunterbringung in der psychiatrischen Anstalt Eickelborn zur Folge. Als Selbach im Sicherungsverfahren sein schriftliches Gutachten mündlich vertreten sollte, lehnte er sich selbst als befangen ab und wurde als gerichtlicher Sachverständiger entlassen.

 

Weigand verklagte ihn wegen schwerster Persönlichkeitsverletzungen vor dem Landgericht Berlin auf 10000 Mark Schadensersatz. Die Klage wurde 1970 abgewiesen, ebenso die dagegen eingelegte Berufung vor dem Kammergericht Berlin. Die dagegen erhobene Revision wies der Bundesgerichtshof Karlsruhe 1970 zurück. Gegen dieses Urteil erhob Dr. Weigand Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht und am 11. Oktober 1978 hatte er damit Erfolg. Das Urteil wurde für verfassungswidrig erklärt und zur erneuten Verhandlung an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

 

Anfang dieses Jahres fragte Dr. Weigand bei Selbachs Haftpflichtversicherung, der Allianz in München an, ob Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Einigung des Rechtsstreits bestehe. Psychiater Selhach zuerst offenbar noch "uneinsichtig", willigte nach zwei Absagen schließlich doch ein. Nach dem dritten Anlauf erklärte sich der ehemalige Klinikdirektor Selbach zur Zahlung der eingeklagten Summe, der Zinsen, der gesamten Gerichts- und Anwaltskosten bereit und ließ Weigand durch die Allianz 13230 Mark überweisen. Damit ist Dr. Günter Weigand, das Opfer eines der größten Psychiatrieskandale, nach 15jährigem Kampf doch noch zu seinem Recht gekommen.

 

 

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Die KVPM wurde 1972 in München von Mitgliedern der Scientology Kirche gegründet und gehört zum weltweit größten Netzwerk zur Aufdeckung von Missbräuchen in der Psychiatrie.