Schwere Persönlichkeitsschäden durch Psychochirurgie

 

München, den 29. 7. 1977

 

Die Diskussion um die äußerst umstrittene Psychochirurgie - einer Methode bei der psychisches Leiden durch Ausbrennen von Hirnsubstanz "wegoperiert" werden soll - hält an. In der ARD-Fernsehsendung "Panorama" vom 25. Juli informierten betroffene Patienten und namhafte Mediziner über die Sinnlosigkeit und die verheerenden Folgen dieser "Seelenoperationen".

 

Die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." (München) nahm den kürzlichen "Panoramabericht" zum Anlass, einen dringenden Appell an Bundesgesundheitsministerin Frau Antje Huber zu richten. Darin wird die Bonner Ministerin aufgerufen, Sofortmaßnahmen zu ergreifen, damit künftig verhindert wird, dass psychisch Kranke zu ihrem Leiden, nicht noch einen Hirnschaden - wie es in der Fernsehsendung hinreichend deutlich wurde - durch den operativen Eingriff hinzugefügt bekommen.

 

Beteuerungen der bundesdeutschen Psychochirurgen zufolge lassen sich fast alle psychischen Leiden, namentlich Angst und Spannung, Depressionen, Schizophrenie, Zwangserscheinungen, aggressive Verhaltensweisen, unstillbare Schmerzzustände, sexuelle Verhaltensstörungen und Suchtverhalten, durch Hirneingriffe kurieren. Bei den operierten Patienten jedoch, die in "Panorama" zu Wort kamen, war von Heilung keine Spur. Stattdessen berichteten sie übereinstimmend von schrecklichen Nebenwirkungen, unter denen sie zu leiden haben.

 

So ein ehemaliger Medizinstudent, der sich 1975 wegen Alkoholismus zwei Operationen unterzog: "Soviel ich aus Erzählungen gehört habe, soll ich angeblich zweimal operiert worden sein, aber mir fehlt da jede Erinnerung". Bis zum Hirneingriff konnte er trotz seiner Alkoholsucht studieren, heute ist sein Gedächtnis weitgehend zerstört, sein Körpergewicht hat sich fast verdoppelt und er ist eingesperrt in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik - sein Verlangen nach Alkohol hat er noch immer. Auf die Frage, ob es richtig war diese Operation durchzuführen, antwortete der Student: "Ich bereue das heute sehr, weil ich keinen Erfolg darin sehe, nur großen Schaden".

 

Ein anderer Patient - ein Lehrer - ließ sich 1973 und 74 zweimal am Gehirn operieren, weil er unter Depressionen und einer angeblichen Zwangsneurose litt. Er sagte:".. mit fortschreitender Entfernung vom Operationstermin ging es mir schlechter. Vor allen Dingen traten da eigenartigerweise die Depressionen sehr stark auf." Der Lehrer beklagt zudem einen Gedächtnisverlust, schwache Merkfähigkeit und eine Behinderung seiner Konzentrationsfähigkeit. Bis zu seiner Operation hatte er noch als. Lehrer gearbeitet, anschließend wurde er zwangsweise pensioniert.

 

Vielfach unterziehen sich auch Sexualstraftäter derartigen Hirneingriffen. Der Entschluss zur Operation muss - wie vonseiten der Psychochirurgen immer wieder rechtfertigend hervorgehoben wird - freiwillig erfolgen. Doch wer sich operieren lässt, wird vorzeitig entlassen. Ein Medizinprofessor der Hamburger Universitätsklinik betonte, dass man in diesem Zusammenhang nicht von einer "echten Freiwilligkeit" sprechen kann, sondern "eher von der Wahl zwischen zwei Übeln" - einer baldigen Entlassung durch eine Hirnoperation oder langjährige Verwahrung hinter Gittern. Wohin derlei fragwürdige Experimente an Strafgefangenen führen, zeigte sich am Fall eines Strafgefangenen, der wegen Betrügereien in der Hamburger Sonderanstalt Bergedorf einsaß. Er ließ sich operieren, weil er unter einem Sexualdrang in der Strafanstalt litt. Durch die Operation bekam er zwar 10 Monate seiner Strafe auf Bewährung erlassen, jedoch wurde er wieder rückfällig. Jetzt muss der Patient eine neue Strafe absitzen, außer einer Hirnverletzung hat ihm die Operation nichts eingebracht.

 

Der international renommierte Frankfurter Medizinprofessor und Sexualforscher Dr. Volkmar Sigusch sagte dazu: "Uns sind viele Rückfälle bekannt. ... und wenn man genügend viel Hirnsubstanz - gesunde, muss man sagen - verbrennt, dann erreicht man auch eine entsprechende Dämpfung. Nur, das Risiko für den einzelnen Patienten ist außerordentlich hoch. Es reicht von Kopfschmerzen bis zu Sehstörungen, von Hirnblutungen, die durch den Eingriff selbst zustande kommen, bis zum Zerfall der gesamten Persönlichkeit, vom Verlust des Gedächtnisses bis zum Tod." Prof. Sigusch ging mit den Psychochirurgen noch härter ins Gericht. Er nannte "die Geschichte der Psychochirurgie eine Geschichte des Verbrechens", weil Psychochirurgen im Laufe ihrer Tätigkeit "Zehntausende von Menschen (vornehmlich in Amerika und England) am Gehirn verstümmelt haben". Er verwies ferner darauf, "dass die wissenschaftliche Begründbarkeit dieser Eingriffe nicht, oder nur an Hand äußerst fragwürdiger Tierexperimente gegeben ist".

 

Zu einem ähnlichen Schluss kam Dr. med. Dogs, Chefarzt einer Klinik in Rinteln (Weser). Er hat bislang 7 psychochirurgisch behandelte Patienten untersucht und "stellte bei allen schwere Persönlichkeitsverluste fest". Weiter führte er aus: "Diese Menschen können sich schwer konzentrieren, sind in ihrem ganzen Wesen vollkommen verändert, ihre Gefühlsfähigkeit ist weitgehend ausgeschaltet und sie Erleben nicht mehr. Sie spüren zwar ihre Depressionen, ihre negativen Reaktionen ganz deutlich, aber die eigentliche unmittelbare Erlebnisfähigkeit ist zu Ende. Dadurch ist eben auch für die Therapie eine Sperre gesetzt, wir kommen nicht mehr durch, wir können den Menschen nicht mehr fassen, das ist die wichtigste Voraussetzung einer Psychotherapie. Er ist wie ein Roboter, er ist nicht mehr ansprechbar im Kern seines Wesens, weil hier etwas zerstört ist.

 

Aufgrund dieser erschütternden Enthüllungen in "Panorama" bittet die "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." nun in ihrem Appell die Gesundheitsministerin Antje Huber sofort ein unabhängiges Ärztegremium einzuberufen, das ausnahmslos alle in der Bundesrepublik operierten Patienten untersucht. Außerdem fordert die Kommission, dass bis zum Abschluss dieser Untersuchungen die Ausführung derartiger Eingriffe gänzlich untersagt wird. Nur so können weitere irreparable Operationsschäden verhindert werden.

 

 

 

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Die KVPM wurde 1972 in München von Mitgliedern der Scientology Kirche gegründet und gehört zum weltweit größten Netzwerk zur Aufdeckung von Missbräuchen in der Psychiatrie.